Laudatio auf Mahmoud Hassanein,
den diesjährigen Träger des vom Goethe-Institut Kairo zum dritten Mal ausgelobten
Deutsch-Arabischen Übersetzerpreises – Kategorie „Nachwuchs-Übersetzer“
12. November 2014, im Goethe-Institut Kairo

Sehr geehrter Herr Boschafter,

sehr geehrte Damen und Herren,

lieber Mahmoud Hassanein,

was für ein bizarrer Zufall: Alle beide dieses Jahr vom Goethe-Institut geehrten Übersetzer haben sich Texten junger sterbenskranker Autoren angenommen, die beide, wie schon vor ihnen der geniale Christoph Schlingensief, offensiv mit ihrer Krankheit umgegangen sind und ihre Erfahrungen auf höchstem literarischem Niveau verarbeitet haben. Doch während David Wagner in seinem Roman Leben seinen Kampf ums Leben beschreibt und heute dank der Lebertransplantation gute Aussichten auf ein Überleben hat , sah Wolfgang Herrendorf , mit dessen Roman Sand Mahmoud Hassanein sich auf den Preis beworben hat, für sich keinen anderen Ausweg, mit seiner unheilbaren Krankheit umzugehen, als sein Leben im August 2013 frühzeitig zu beenden. Vorher allerdings verfasste er, bereits von der Krankheit stark beeinträchtigt, zwei Romane, die von der Kritik hoch gelobt wurden und die beide für den Leipziger Buchpreis nominiert waren: Tschick und ebendiesen Roman Sand, für den der Autor den Preis im Jahr 2012 erhielt.
Sand, eine Persiflage auf westliche Agententhriller, ist ein Roman ganz nach dem Geschmack des Übersetzers Mahmoud Hassanein. Hassanein, der sich selbst zu einer Neigung zum Grotesken und zum Sarkasmus bekennt, kann bei der Übersetzung dieses höchst ungewöhnlichen Werkes seine ganze kluge Phantasie entfalten, denn das Groteske und Sarkastische ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Wir befinden uns im Jahr 1972, dem Jahr des Anschlags auf die olympischen Spiele in München – allerdings weit fort von diesem Geschehen in der marokkanischen Wüste. Da tauchen unzählige kuriose Gestalten auf, vermeintlich kompetente Polizisten, undurchsichtige Frauen und fähige oder unfähige Agenten; der Leser erfährt von einem Mordanschlag auf eine Kommune westlicher Hippies, vermutet, in eine Spionagegeschichte geraten zu sein, ist sich nicht sicher, wer eigentlich der Held ist, und ob es überhaupt einen Helden gibt, wird, wenngleich immer verwirrter, immer tiefer hineingezogen in diese versandeten und zum Teil versandenden Ereignisse und fragt sich irgendwann – wie die Rezensentin der Zeit, Andrea Hanna Hünniger -: „Was soll das denn hier sein? Ein Roman? Ein Scherz? Eine Verwirrung?“ Als sogenannten Trottel-Roman bezeichnete der Autor Herrendorf selbst dieses Werk, in dem „die Araber alle dumm und faul sind und stinken“, in dem, so Herrndorf, die Europäer arrogante Rassisten und Päderasten sind, die Amerikaner alles foltern, was ihnen in den Weg kommt, und hinter allem, wie kann es anders sein, die Juden stecken. Ein solches Verwirrspiel, ein solches literarisches Wagnis zu übersetzen ist eine große Herausforderung, darf doch ein Übersetzer sich gerade nicht verwirren lassen. Er muss den Text durchdringen, sich in ihn hineinbegeben, ihn bezwingen und in seiner Sprache neu entstehen lassen. Und dafür ist Mahmoud Hassanein genau der Richtige, denn er nimmt eine solche Herausforderung couragiert an. 1982 in Kairo geboren, studierte er dort zunächst Germanistik und Arabistik, später Sprache, Kultur und Translation in Germersheim und promoviert derzeit zum Thema Menschenrechte in Translation. Seit 2004 ist er als Übersetzer tätig und unterrichtet seit 2013 am Germersheimer Fachbereich der Universität Mainz Translationswissenschaft.
Als echter „Nachwuchsübersetzer“ kann Mahmoud Hassanein, der nicht nur verschiedene wissenschaftliche Beiträge zum Thema Übersetzen verfasst hat, sondern auch schon mehrere Übersetzungen von Kinderbüchern vorweisen kann, aufgrund seiner Lehrtätigkeit und seiner praktischen Erfahrung im engeren Sinne eigentlich nicht gelten. Allein in diesem Jahr 2014 erschienen von ihm Spiegeligel: Kindergedichte von Manfred Peter Hein in zwölf Sprachen, und Paul Maar: Herr Bello und das blaue Wunder. Auch derzeit arbeitet Mahmoud Hassanein an der Übersetzung zweier Kinderbücher. Sogar zwei Preise für seine übersetzungswissenschaftliche Arbeit hat er bereits erhalten, den Preis des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft für die Anfertigung einer herausragenden Abschlussarbeit und den Zweiten Preis des Freundeskreises des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft für die jahresbesten Abschlüsse, die ihm beide 2011 verliehen wurden.
„Ich übersetze, also bin ich“, steht groß auf Mahmoud Hassaneins Website. Mahmoud Hassanein ist ein Vollblutübersetzer, der nicht nur enormes theoretisches Wissen für seine Arbeit mitbringt, sondern auch den Mut besitzt, die Grenzen der arabischen Sprache so weit wie möglich auszuloten. Ich gratuliere Mahmoud Hassanein im Namen der Jury zu diesem Preis, mit dem er dort angekommen ist, wo er hingehört: in die Gruppe der etablierten Übersetzer, und zwar ganz oben auf die Rangliste.

Larissa Bender

Übersetzerin

Jurymitglied des dritten vom Goethe-Institut Kairo ausgelobten Deutsch-Arabischen Übersetzerpreises